„Diese schlichten Geschichten von zwei Leuten, die miteinander ins Bett gehen, interessieren mich weniger.“ Ein Gespräch mit Claudia Gehrke

Claudia Gehrke, geboren 1953 in Berlin, aufgewachsen in Frankfurt am Main, studierte Germanistik, Philosophie, Mathematik. Noch während des Studiums gründete sie den Literarischen „Mittwochs-Salon“ (1976 – 1982), aus dem 1978 der Verlag Konkursbuch entstand, den sie als Verlegerin leitet. Claudia Gehrke publizierte in Anthologien, Kunstkatalogen und Zeitschriften vor allem zu Frauen und Erotik sowie zur Geschichte erotischer Subkulturen von der Antike an. Seit 1982 ist sie Co-Herausgeberin des Jahrbuchs für Erotik Mein heimliches Auge, seit 1998 erscheint im Konkursbuch Verlag auch Mein lesbisches Auge (hrsg. Von Laura Méritt).

Jessica Beer: Keine Auseinandersetzung mit Genre ohne Erotik: Wir würden gerne mit Ihnen über Pornografie und Feminismus, Erotik und Selbstermächtigung, „Schmuddelecke“ und Ökonomie, aber vor allem über Geschichte, Rezeption und Leser*innen des Heimlichen Auges reden. Wie hat es also angefangen mit Mein Heimliches Auge, was war Ihre Motivation?

Claudia Gehrke: Da gab es eine Initialzündung. Nach einer Buchmesse 1979 oder 1980 war ich nachts noch mit vielen Menschen unterwegs. Wir saßen nach einigen Kneipenbesuchen dann bei einem zu Hause, der hieß Uve Schmidt, und der hatte eine Fotosammlung mit sehr fröhlichen Fotos aus den 1920er-Jahren, auf denen auch die Frauen etwas Vergnügen zeigten, im Gegensatz zu den meisten Bildern aus unserer Zeit, den 70er- und 80er-Jahren.

Daraus entwickelte sich die Idee, ein Buch mit erotischen Bildern von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern zu machen.

Mir war es von Anfang an ein Anliegen, Frauen einzuladen, was damals etwas schwieriger war als später. Also habe ich meine Autorinnen, die ich gerne dabei haben wollte, eingeladen, Uve hat seine Künstler und Künstlerinnen eingeladen, und so kam das erste Heimliche Auge zustande, das noch keine Nummer trug. Es war ein Parallelband zum Konkursbuch 6 und erschien 1982. Nach drei Jahren gab es ein zweites, dann wurde es langsam zum Jahrbuch.

Beer: Sie haben gesagt, dass auf diesen Fotos die Frauen fröhlich dreinschauten und Lust an der Sache hatten, was sich sehr stark von der damaligen und bis heute ja gängigen pornografischen Bilderwelt unterscheidet. Wie wichtig ist dieser Aspekt der weiblichen Lust, der weiblichen Freude am Schauen und Zeigen für das Heimliche Auge?

Gehrke: Die Bilder waren ja aus den 20ern, als das neue Medium der Fotografie hinzukam. Die Leute haben das dann selbst entwickelt, es hieß auch „Waschküchenpornografie“, weil die Fotos in Waschküchen entwickelt wurden. Das Vergnügen war daher doppelt: einerseits an der Sexualität, andererseits daran, dass man das reproduzieren konnte. Dieses Vergnügen war bei beiden Geschlechtern eigentlich gleich. Die Leute haben sich dann auch oft ein bisschen verkleidet oder einen Schnurrbart angeklebt. Die Frau hat beispielsweise eine Mütze aufgesetzt, Perücken eher nicht mehr, aber irgendwelche Kleinigkeiten gab es oft, die als Verkleidung zu erkennen waren, und das Darüber-Lachen war immer auch auf den Bildern präsent. Das Lachen fehlte ja bis dahin völlig.

Es gab auch kaum weibliche Literatur über Erotik und Sexualität, aber wenn man genauer guckte, gab es dann doch ganz viel, nur wurde das versteckt. Ich habe in den späten 1980ern auch einen Sammelband1 herausgegeben mit erotischen Texten von Frauen vom Mittelalter an. Da habe ich sehr viel entdeckt, das oft nur von der männlichen Bilderwelt oder den männlichen Schreibweisen überdeckt gewesen war.

Es gab 1987/1988 die porNO-Debatte. Auch da haben wir einen Sammelband gemacht, Frauen und Pornographie2, mit vielen Beiträgen von unterschiedlichen Autorinnen, auch Elfriede Jelinek war dabei. Unser Antrieb war, Frauen zu animieren, pornografische Bilder zu machen, Texte zu schreiben, und diese Position richtete sich gegen Verbotsinitiativen, wie sie damals von EMMA ausgingen. Das hat zu einer regelrechten Welle geführt. Wir bekamen immer mehr Einsendungen von Frauen. So ist durch die öffentliche PorNO-Debatte eine große Lust entstanden zu sagen: Ich versuche das jetzt mal selber! Heute gibt es viel erotische Literatur von Frauen, aber damals, Ende der 80er, war das wirklich eine Art Befreiungsbewegung zu sagen: Wir schreiben über Sex! Wir trauen uns! Wir achten auch nicht dauernd darauf, ob das jetzt alles politisch korrekt ist oder nicht.

Es gab auch viele Podiumsdiskussionen, an denen ich teilnahm, immer auch als Verteidigerin von lesbischem SM. Es ging nicht darum, ob ich das selber praktizierte oder nicht, sondern darum, dass lesbischer SM, wenn zwei Frauen Schläge sexuelle Lust bereiten, weil dadurch eine Hitze im Körper erzeugt wird, die sie anders nicht kriegen, dass das keine Gewalt ist, sondern dass das nach Regeln erfolgt. Das ist ja nur ein möglicher Aspekt von Sexualität, aber es war der, über den am meisten geredet wurde. Weil SM eben eine Grenze markiert: Ab wann ist es Erniedrigung, ab wann wirklich Gewalt? Was ist eine Fantasie von Gewalt? Darf man das veröffentlichen? Die Position der anderen Seite, der EMMA, war damals: Meinetwegen können die Lesben das ja praktizieren, aber sie sollen nicht darüber sprechen, damit sie nicht den Männern das Bild geben, wir seien ja doch so, wir wollten ja mit Gewalt genommen werden. Ich und viele der Autorinnen, die beim Heimlichen Auge mitmachten, waren der Meinung, dass das Darüberschreiben selbst die Differenzen deutlich macht, zum Beispiel indem die Regeln bei SM thematisiert werden.

1996 erschien ein Buch von Claire Garoutte3, einer Autorin aus Seattle, die Frauen einer lesbischen SM-Community interviewt und über viele Jahre fotografisch begleitet hat. Das war ein sehr wichtiges Buch, das viel diskutiert wurde. Wir haben es vor Kurzem neu aufgelegt, weil ich es auch heute noch wichtig finde. In den Interviews wird klar, warum die eine Frau sich zum Beispiel gerne piercen lässt, welche Vorgeschichte das hat, oder warum eine andere Frau sich als Top austobt, was ja seltener ist – man liest ja mehr von Frauen aus masochistischer Perspektive –, was sie davon hat, wie sie ihre Grenzen sieht und auch die Gefahr, dass sie mal nicht gleich aufhört, wenn jemand das Sicherheitswort sagt. Das sind detaillierte, schöne Gespräche, die auch sehr tief gehen. Dieses Thema ist einfach eine Zeitlang für mich selber wichtig gewesen. Für das Heimliche Auge ist es eher wichtig, dass möglichst viele Perspektiven vorkommen, auch ganz abstrakte Dinge, die als erotisch empfunden werden können, bis hin zu ersten Verliebtheiten, Streitgeschichten, sexuellen Techniken. Es sind Gespräche drin, Erfahrungsberichte, Erinnerungen an die Kindheit, an ein erstes Kennenlernen von Liebe oder Orgasmus. Manchmal ist ein Thema sehr präsent, weil es gerade viel diskutiert wird, wie Corona in letzter Zeit. Da gab es Texte darüber, wie Paare damit umgehen. Eine Frau zum Beispiel, die öfter in heterosexuelle Swinger-Clubs ging, hat sehr schön darüber geschrieben, wie sie es in der Zeit, wo es eigentlich verboten war, trotzdem einmal gemacht hat. Mir geht es auch darum, dass im Heimlichen Auge das Leben widergespiegelt wird.

Sabine Scholl: Was waren neben der PorNO Debatte die größten Hindernisse, durch die sich Ihr Projekt seinen Weg bahnen musste?

Gehrke: EMMA war die Hauptinitiatorin. Trotzdem gab es damals schon die „Lesbenfrühlingstreffen“. Dort fanden immer SM-Seminare statt. Und ich wurde auch dort sehr kritisch beäugt, weil ich auch Männer veröffentliche. Dieses Schubladendenken liegt mir nicht so. Ich habe immer viel lesbische und queere Literatur im Programm gehabt, aber es gab auch heterosexuelle Texte im Heimlichen Auge. Zusätzlich gibt es seit 1998 Mein Lesbisches Auge, das spezialisiert ist auf lesbische und queere Erotik, und jetzt, in Zeiten der Zwischengeschlechter, kommen auch Transvarianten dazu. Das Lesbische Auge haben wir in letzter Zeit ein bisschen verändert. Zum Beispiel hatten wir im letzten Heft das Thema Herkunft. Autor*innen haben von ihrer Kindheit erzählt, von den Orten, wo sie herkommen. Das ist auch eine Genre-Frage: Man kann nicht nur Sexualität in einem Buch haben, weil Sexualität wird ja immer auch von allen anderen Lebensbereichen durchdrungen.

Beer: Das haben Sie gerade sehr schön geschildert: Man will das Leben in seiner Vielfalt abbilden, gleichzeitig gibt es auch ein Konzept und einen klaren Fokus. Wie können wir uns einen Auswahlprozess für das Heimliche Auge vorstellen?

Gehrke: Einerseits laden wir Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstler ein, und andererseits kommt, auch weil das Heimliche Auge so lange existiert, sehr vieles von selbst. Diese schlichten erotischen Geschichten von zwei Leuten, die jetzt miteinander ins Bett gehen, interessieren mich weniger. Mich interessiert, wenn ein Aspekt von Leben mit drinsteckt oder auch eine Auseinandersetzung und was Kritisches. Aus allen Einsendungen mache ich dann zwei spontane Ordner, „kommt in Frage“ und „kommt nicht in Frage“. In der engeren Auswahlzeit versuche ich immer, noch andere Blicke hinzuzugewinnen. Heute sind das meistens jüngere Leserinnen, früher, als ich selber jung war, waren es ältere. In der ersten Zeit hatte ich einen älteren Layouter, der das Grobkonzept gemacht hat und selber Künstler war, der hat auch immer gelesen, mit einem künstlerischen männlichen Blick. Oft hat er ganz andere Bilder interessant gefunden als ich, und darüber haben wir uns ausgetauscht.

Dass unterschiedliche Generationen an der Auswahl beteiligt sind, ist mir sehr wichtig. So bleibt das Heft frisch und lebendig und spricht unterschiedliche Altersgruppen an. Mich freut das, wenn zum Beispiel auf Buchmessen Leute zu mir kommen und sagen: Ich habe das Heimliche Auge mit meiner Frau gelesen, und uns haben unterschiedliche Bilder gefallen, und über diesen Umweg haben wir über unsere Sexualität viel besser sprechen können.

Scholl: Das heißt ja auch, dass das Heimliche Auge eigentlich zwischen allen Genres steht.

Gehrke: Ja. Das Spektrum, wie es rezipiert werden kann, ist sehr weit. Es ist kein Ratgeber, aber es kann natürlich auch so gelesen werden, weil einem literarisch geformte Erzählungen aus dem Leben auch Rat geben können. Ich persönlich lerne eher aus der Literatur als aus Handlungsanweisungen … Aber es gab natürlich auch manchmal richtig aufklärerische Sachen, zum Beispiel „Wie finde ich meinen G-Punkt?“

Beer: Könnten Sie versuchen, für die Generation der heute 30-Jährigen zu beschreiben: Was war eigentlich das Politische, das Feministische an der Gründung des Heimlichen Auges oder an Ihrer Herangehensweise?

Gehrke: Damals war das Politische, dass ich möglichst vielen ermöglichen wollte, zu schreiben und sich über ihre eigene Sexualität Gedanken zu machen, wofür es bis dahin kein Forum gab. Das Heimliche Auge wurde von vielen Feministinnen kritisch gesehen, weil eben auch Männer veröffentlicht wurden. Aus diesen Diskussionen heraus haben wir dann das Lesbische Auge gegründet. Auch da hatten wir Spezialthemen, weil zum Beispiel nicht alle Lesben immer nur mit Frauen ins Bett gehen. Also fragten wir, wie es ist, als Lesbe mit einem Mann ins Bett zu gehen. Diese Offenheit war mir wichtig, weil es mir ja nicht nur darum geht, dass Frauen untereinander reden, sondern eben auch Frauen und Männer miteinander, egal, ob sie jetzt lesbisch sind oder nicht. Wir leben nun mal alle miteinander.

Es war natürlich nicht immer einfach. Meine Grenzen bei Bilderwelten sind vielleicht anders als bei anderen Frauen. Ich schätze deutliche sexuelle Bilder. Manche sagen, das ist Pornografie, und natürlich, wenn man jetzt diese 20 Bilder rausnehmen und alleine zeigen würde, könnte es sein, dass da nur Geschlechtsteile zu sehen sind.

Deswegen gab's ja auch Prozesse. Für mich gehört zur Sexualität auch eine bilderreiche Welt. Und wenn Sie das nicht gewöhnt sind und blättern das Heimliche Auge durch, dann springen Sie die scharfen Bilder zuerst an. Und erst beim zweiten und dritten Blättern sieht man die weniger scharfen Bilder, die genauso drin sind. Darüber gab es auch Auseinandersetzungen, bis zu Gerichtsgeschichten.

Beer: Von wem gingen diese Klagen aus?

Gehrke: Es gab einen privaten Verfolger, dessen Beschreibungen schlimmer waren als das, was bei uns gedruckt wurde. Wenn zum Beispiel eine Frau das Foto einer Fellatio gezeigt hat, hat der Ankläger das so beschrieben, dass es in seinen Worten erst wirklich pornografisch wurde.

Dieser private Ankläger hat alles Mögliche angezeigt und auch Pro Familia4, weil das Heimliche Auge dort an erwachsene Paare, die Rat suchten, verkauft wurde. Das sind alles uralte Geschichten. Die will ich nicht hochkochen, man weiß ja nicht, ob sowas mal wieder losgeht. Das hat mich jahrelang sehr beschäftigt.

Scholl: Wie ist die Situation jetzt? Wird das Heimliche Auge einfach in Buchhandlungen verkauft?

Gehrke: Es ist eingeschweißt, wodurch die Buchhändler unter Kontrolle haben, wer es anguckt. Von der Bundesprüfstelle wurde es nicht indiziert, weil es sich nicht an Jugendliche richtet.

Ich habe damals immer zu beweisen versucht, dass das Heimliche Auge keine Pornografie ist. Ein Pornoheft hat vor allem das Ziel, einen meistens männlichen Betrachter zum Orgasmus zu bringen. Und so ist die Bildstrecke dann aufgebaut. Vielfalt spielt keine Rolle, Widersprüche gibt es auch nicht. So in der Art: Ein Handwerker kommt ins Haus, und die Frau will sofort. Die Szenarien sind heute moderner, der Ablauf ist in etwa der gleiche. Die Absicht des Heimlichen Auges ist aber, sich vielschichtig mit Sexualität auseinanderzusetzen. Es kann passieren, dass einen das einzelne Bild oder ein Text erregt, aber wenn man umblättert, kommt wieder etwas Anderes. Für die Bundesprüfstelle wurden von Gutachtern natürlich wissenschaftliche Beschreibungen, wie etwa Hypertext, gefunden und das Heft wurde damit als Kunst akzeptiert.

Beer: Das finde ich interessant, dass Vielfalt als antipornografisches Moment fungiert. Wo Pornographie immer eine einzige Erregungskurve beschreibt und erzielen will, erzeugen unterschiedliche Bilder einen Bruch. Noch eine Frage zum Titel. Wie kam es zu Mein Heimliches Auge? Das spielt stark auf das Paar von Zeigen und Schauen, Voyeurismus und Exhibitionismus an.

Gehrke: Der Anfang war, dass wir Autorinnen und Künstlerinnen fragten: Was habt ihr in den Schubladen, das ihr sonst nicht veröffentlichen würdet? Da waren auch ein paar Namhafte dabei, die tatsächlich ihre Schubladen geöffnet haben und uns Texte gaben, die damals woanders nicht veröffentlicht worden wären. Wir fragten auch: Könnt ihr beschreiben, was eure heimlichen Lüste sind?

Der Titel hatte am Anfang eine stärkere Bedeutung als heute, wo man denkt, es ginge ja gerade darum, nicht heimlich zu sein, sondern offen. Letztlich bleibt das Heimliche immer im Spiel. Aber es ist heute politisch nicht mehr so wichtig wie damals, als man alles Mögliche nicht öffentlich sagen durfte, auch aus Angst, dann nicht mehr als Künstlerin, als Künstler anerkannt zu werden. Das hat sich inzwischen aufgelöst. Hoffe ich jedenfalls.

Scholl: Sehen Sie Verbindungen Ihrer Arbeit zur neuen Generation feministischer Autorinnen und deren Körperpolitik?

Gehrke: Bestimmte Dinge müssen immer wieder neu begonnen werden. Im Buch Untenrum frei von Margarete Stokowski zum Beispiel, habe ich viele Dinge gelesen, die ich in Vorträgen ähnlich formuliert habe. Bestimmte Probleme werden einfach immer wieder neu erzählt, obwohl sie mit fast den gleichen Worten schon mal beschrieben wurden. Denn jede Generation muss diese Erfahrungen selbst machen. Was wir diskutiert und veröffentlicht haben, ist nicht unbedingt selbstverständlich im Wissen der Jüngeren. Es geht auch darum, es sich selbst anzueignen. Deswegen finden sich zum Beispiel im Konkursbuch Verlag auch wiederholende, in etwas veränderter Form der heutigen Zeit angepasste Publikationen von jüngeren Frauen, die über Sex schreiben. Es gibt eine Generationenfolge. Manche kennen das Heimliche Auge oder auch das Lesbische Auge, aber wenn nicht, setzt sich das trotzdem fort. Jetzt wäre es eigentlich interessant zu erfahren, was die jüngeren Redaktionsmitglieder von PS dazu sagen.

Beer: Das war eigentlich das ausschlaggebende Moment für dieses Gespräch: Sabine Scholl und ich sind beide in den 1960ern geboren, und als wir vorgeschlagen haben, ein Interview mit Ihnen zu führen, hat es uns überrascht, dass in einem feministischen und queeren Kollektiv das Heimliche Auge kein Begriff ist. Für mich war das Heimliche Auge in den 80er- und 90er-Jahren unglaublich wichtig als ein Ort, wo weibliche Erotik und weibliche Lust in all ihrer Diversität dargestellt wurden, ohne dass man dabei das Gefühl gehabt hat, sich zum Objekt zu machen. Sabine, du hast das ja auch gesehen und dort auch veröffentlicht.

Scholl: Ja, ohne sich in die Schmuddelecke begeben zu müssen. Nicht mit Frauen und weibliche Lust abwertender Pornografie konfrontiert zu sein, sondern sich unter positiven und künstlerischen Vorzeichen mit Körper und Sexualität zu beschäftigen. Das Heimliche Auge war für mich ein Ort, an dem andere Formen des Sexuellen diskutiert wurden.


Lektorat: Kaśka Bryla und Carolin Krahl

1 Purpurmund und Honiglippen, Erotika von Frauen, Ullstein 1991.

2 Frauen und Pornographie, Konkursbuch 1988.

3 Claire Garoutte: Matter of Trust, aus dem Englischen übersetzt von Gerda Claassen, Konkursbuch 1996, Neuausgabe 2019.

4 Staatlich geförderte Beratungsstellen rund um Fragen zu Familie, Sexualität, Schwangerschaft etc.

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