Kurze Interviews mit freakigen Frauen

 

GLÜCKSZAHLEN

L………………………….Lesbe
K…………………………Transsexuelle Frau
S………………………….Sexuologin
Z………………………….Zahnärztin
N………………………….Filmemacherin
P…………………………..Leserinnen und Leser, Publikum, Presse, Regie…

JOKER
G…………………………. 13 jähriges Mädchen

 

Nach den Forschungen von Masters und Johnson aus den Fünfziger Jahren des 20sten Jahrhunderts und des daraus hervorgegangenen Werkes Die sexuelle Reaktion (1967), wurde von einem Zusammenschluss Wirtschaftswissenschaftler in den USA unter dem Namen Sex-Gewalt-Ökonomie in den 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts die These aufgestellt, es gebe eine signifikante Korrelation zwischen Sex, Gewalt und Ökonomie.

Mittels eines qualitativen Fragebogens, der mit einer unbestimmten aber großen Anzahl von Personen in Form kurzer Interviews durchgeführt worden war, konnte auf eine beträchtliche Datenmenge zugegriffen werden. Es folgte die Quantifizierung der Antworten.

Unter Anwendung eines ökonometrischen Verfahrens ließen die Wissenschaftler die Datensätze gegeneinander laufen und generierten eine Formel, die in der entflammten zweiten Frauenbewegung für Unruhe sorgte und David Foster Wallace in den 90er Jahren zu seinem Erzählband Kurze Interviews mit fiesen Männern inspirierte.

2009 nahm die Statistik Austria den Fragebogen wieder auf, betraute eine Volkswirtin mit der Durchführung und Auswertung der Enquete und gedachte, die Ergebnisse für die Erstellung des Harmonisierten Verbraucherpreisindexes 2010 zu verwerten.

Wieder wurde eine unbestimmte Anzahl an kurzen Interviews geführt und danach sorgfältig nach Geschlecht (männlich und weiblich, transsexuell, intersexuell) sortiert. Aus dem Pool von weiblichen, transsexuellen und intersexuellen Befragten wurden nach der Lotteriemethode Sechs aus Fünfundvierzig, sechs Interviews gezogen und einer Künstlerin zur Verfügung gestellt.

In einem literarischen Verfahren ließen Volkswirtin und Künstlerin die Antworten der sechs Interviewten gegeneinander laufen und generierten ein Theaterstück.

Ihrer Ausbildung einerseits und andererseits der Neoklassik geschuldet, reduzierte die Volkswirtin die sechs Interviewpartnerinnen zu Funktionen: L, K, S, Z, N und G – wobei G nicht mitspielen sollte.

 

N: Na ja. There’s no business like showbusiness. Richtig? Eben. Wo ein Thema ist, da ist auch ein Film. Und wo ein Film ist, da ist auch Geld. Und wo Geld ist, da ist immer auch ein Job. Verstehst du? Ich meine. Siehst du die Zusammenhänge? Thema, Film, Geld, Job?

L: Hm. Also das ist jetzt eine schwierige Frage. Komplex irgendwie. Da weiß ich jetzt ad hoc nicht, wo ich da anfangen soll. Hm. Also auch, weil sich das in letzter Zeit bei mir stark verändert hat. Auch, weil was passiert ist. So was, ja, ich würde sagen, so eine Art Aha-Erlebnis. Wissen Sie, wo man was begreift, was man eigentlich schon immer gewusst hat, aber danach kann man nicht mehr so tun wie vorher. Eben so was.

K: Ja. Dieser Moment, wo ich an diesem Fenster stand und gecheckt hab, wo ich mich befinde. Darüber würde ich gerne sprechen.

N: Hör mal. Aber das wissen wir doch alle. Nein?

S: Wie bitte? Ach so. Das war ein Workshop zur Behandlung eines in unserer Gesellschaft sehr häufig auftretenden Sexualproblems.

Z: Waren Sie denn schon einmal in der Karibik?

N, L, K, S: Was?

N: Ja.

L: Nie.

K: Vielleicht.

S: Nein.

(Pause)

L war eine Lesbe und die Ökonomin hatte sich gefragt, ob Lesben nicht ohnehin die besseren Männer seien und wo, wenn nicht in der Sexualität, schließlich heiße es ja HomoSEXUALITÄT, und wo, wenn nicht dort, müsse diese Frage erörtert werden?

K war das Opfer, das nicht fehlen durfte. Obwohl Opfer nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen, seitdem alle nur noch vor sich rumopferten. Die Volkswirtin bestand darauf.

Und weil in ihrem diskursiven Stück Expertinnen nicht fehlen durften, ja, sogar in der Überzahl sein sollten, setzten die Sexuologin S, die Zahnärztin Z und die Filmemacherin N sich in Szene.

G, die Ökonomin blieb dabei, G durfte NICHT mitspielen.

N: Denk mal scharf nach. Wofür gehst du ins Kino? Na? Oder, anders: An welche Filme erinnerst du dich am häufigsten?

K: (Film)

Z: (Film)

L: (Film)

S: Pornofilme. Sie sprechen von Pornofilmen.

N: Nein. Das unterstellst du mir jetzt. Hm. Aber, vielleicht. Vielleicht ist da auch etwas dran. Oder. Also, ich schaue jetzt nicht so viele Pornos. Aber wenn du? Naja. Du bist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Ja. Würde schon meinen. Also nicht, dass ich noch nie. Natürlich. Doch. Gelegentlich.

K: Nein.

L: Immer wieder.

S: Das gehört zu meinem Beruf.

Z: Die Musik? Ja. Die gehört dazu. Die ist wichtig.

N: Gekauft? Nein. Aber mein Mann. Jaaaa. Versteckt sie zwar. Und, ich mein, heutzutage. Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ja?

L: Natürlich wissen Sie jetzt nicht, worüber ich eigentlich rede. Ich habe auch noch gar nicht angefangen zu erzählen. Also, ich wollte diese Geschichte, dieses Erlebnis, das wollte ich Ihnen erzählen. Weil, da war dann dieser Moment: Echt magisch irgendwie. Ich meine, ich bin jetzt nicht esoterisch. Echt nicht. Aber das war, naja, irgendwie irreal. Weil, also, den ganzen Abend, da lag dieser Druck in der Luft. Na gut, vielleicht nicht in der Luft, sondern auf mir. Ich spürte ihn. Diesen Druck. Auch, wie sie mich ansah. Wissen Sie. Frauen, die kriegen da einen Gesichtsausdruck, irgendwie zuckersüß und fordernd. Das geht mir total auf die Nerven. Weil man weiß eh, was sie wollen, und sie wissen es auch, aber dann setzen sie dieses Zuckersüße auf, obwohl sie eigentlich eher was Hartes wollen. Naja, also so hat sie mich angesehen. Als wollte sie gefickt werden. Also. Wenn ich das jetzt hier so sagen darf. Ich hoffe das ist Ihnen jetzt nicht unangenehm?

Z: Nein.

(kurze Pause)

Die Funktionen L, K, S, Z, N und G stellte die Ökonomin einer Logik entsprechend in Relation zueinander, wodurch sich die Axiome für die Inszenierung des Stückes ergaben. P repräsentierte das Publikum und VW die Ökonomin selbst.

Für die Inszenierung gelten folgende Axiome:

  1. (L=F(Z) ᴠ S=F(Z) ᴠ K=F(Z) ᴠ P=F(Z)) => G≠F(Z)

  2. (L=F(S) ᴠ K=F(S) ᴠ P=F(S) ᴠ Z=F(S)) => G≠F(S)

  3. (P=F(L) ᴠ S=F(L) ᴠ Z=F(L)) => (G≠F(L) ᴧ K≠F(L))

  4. (P=F(K) ᴠ G=F(K)) => (L≠F(K) ᴧ S≠F(K) ᴧ Z≠F(K))

  5. [(Z=F(G) ᴠ K=F(G) ᴠ S=F(G) ᴠ L=F(G)) <=> P≠F(G)] <=> ((P=L=S=G=K=Z) ᴧ G=F(P))

  6. F(VW)=P

  7. F(N)=VW

  8. P=L=S=N=G=K=Z=F

Da niemand in der Theaterwelt mit dieser Schreibweise zurecht kam, fügte sie eine Legende hinzu und hoffte, irgendjemand würde begreifen.

Legende:

ᴠ…………….oder
ᴧ…………….und
=>………….daraus folgt, dass
<=>………..genau dann, wenn
F(.)…………Fragende Person von (.)
Sei x = L, K, S, Z, G, P und sei y = L, K, S, Z, G, P und y ≠ x; dann bedeutet
y = F(x), dass y die Fragende Person von x ist;

Aber niemand begriff.

K: Ich muss dazu sagen, ich hab ja auch unendlich viele Therapien gemacht und so, und das alles irgendwie bearbeitet und für mich geklärt. Ja. Ich kann ja nicht sagen, nur weil mich Männer sexuell missbraucht haben, bin ich jetzt irgendwie geschädigt oder so. Nee. Das sind Geschichten, die sind vergangen, die sind alt, ich geh ja irgendwie geradeaus, ich geh ja nicht irgendwie zurück. Ich glaube auch nicht, dass ich davon frei bin, mir diese Gedanken zu machen, dass das ne Rolle spielt, aber ich glaube auf der anderen Seite auch nicht, dass das der Grund ist, warum ich als Frau leben wollte. Also, warum ich wusste, dass ich eine Frau bin.

(lange Pause)

N: Okay. Bleibt aber unter uns. Gut. Nämlich, wenn mein Sohn manchmal seinen Laptop zuhause vergisst. Kenn ja das Passwort. Naja. Und in seinem Suchverlauf. Am Anfang war ich schockiert.

K: Klar.

L: Verstehe ich nicht.

S: Warum?

N: Ja. Obwohl ich Filmemacherin bin, war ich schockiert.

Z: Na gut. Erzählen Sie mir jetzt von dem Bild, was Sie sich überlegt haben.

N: Nein, das ist es nicht. Es gibt ja. Also die meisten. Mein Mann kommt ja mehr aus der soften Abteilung. Und… Die Pornos sind halt dementsprechend. Soft eben.

Z: Oh ha.

N: Was willst du?

S: Lassen Sie mich kurz ausholen. Wie Sie ja wissen, ist die Praxis des Analverkehrs, man könnte sagen: bindend. Ja natürlich. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber jetzt hier unter uns: Sie gehen doch auch davon aus, wenn Sie mit ihrem Freund. Na?

N: Klar geht’s ums Ficken. Und es ficken auch immer die Männer. Schon klar. Aber so ist das doch auch: Die Männer ficken die Frauen. Von vorne, von hinten, von der Seite, stehend, liegend, knieend. Ja. Wie man das halt so kennt.

S: Schon gut. Verzeihen Sie mir. Es war ein Workshop zur Behandlung von analen Spasmen – Eine Krankheit bei der sich dem Mann die Aftermuskulatur verkrampft, sobald seine Ehefrau mit ihm das gemeinsame Erlebnis teilen will.

N: Was?

K: He?

L: Wie bitte?

Z: Das?

S: Den Sexualakt.

L: Ach so.

N: Nein.

K: Ja.

Z: Den?

S: Also: Wenn sie ihn mit ihren Fingern oder einem Dildo penetriert.

STOPP! Die Inszenierung lief nicht, wie VW es sich vorgestellt hatte. Immer öfter verschränkten sich die Funktionen ineinander, entglitten die Figuren ihrem vorgesehenen Format. Das Publikum wusste mit der Formel noch weniger umzugehen, als die Theaterwelt. Chaos bedrohte die sauber zusammengestellte Logik.

L: Also. Ja. Da sagen Sie was. Also, da sitze ich mit dem Mädchen auf meinem Bett und ihr ganzer Körper schreit schon: Fick mich! Und auch wenn mich das dann total abtörnt. Ich denke: Da muss ich jetzt durch. Und dann spür ich diese Abscheu. Also diesen Widerwillen. Weil sie es so sehr will. So sehr, dass sie fast zu sabbern anfängt. Und ich erinnere mich an all die Male, wo ich mir innerlich zugeredet habe, weil die andere unbedingt gefickt werden wollte, und auch weil ich mir dachte, wissen Sie, das Scheiß-Drama, wenn ich es jetzt nicht tue: Zuerst das lange Schweigen, dann das Geheule, was denn mit ihr nicht in Ordnung sei, und warum, sie habe gedacht, es sei doch alles so romantisch gewesen, et cetera, et cetera.

N: Nicht unbedingt frauenfeindlich, eher ein Spiegel der Realität.

S: Was hat das mit irgendwas zu tun?

L: Was hat irgendwas mit irgendwas zu tun?

Z: Nichts.

N: Genau.

K: Ich?

Z: Ich auch nicht.

S: Wie jetzt? Doch, doch. Das gibt es. Hier: ICD – International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, F 52.5: Nichtorganische anale Spasmen. Spasmus der Aftermuskulatur, wodurch der Introitus analae verschlossen wird. Die Immission der Finger, der Faust oder des Dildos ist unmöglich oder schmerzhaft.

K: Wessen Realität?

N: Nicht nur meiner. Oder fickst du deinen Mann?

S: Erst letztens hatte ich einen Patienten. Nennen wir ihn Peter. Der erzählte mir, dass eben alles in Ordnung sei in seiner Ehe, aber sobald sie ins Bett steigen und sich seine Partnerin zu ihm legt, dann verkrampfe sein ganzer Körper.

Z: Nein, nein. Das macht gar nichts. Kein Problem. Man kennt das doch aus Filmen. Kein Problem. Na gut. Fische sind da ja viele.

K: Aha. Ja. Das war ja das Problem. Dass ich gar nicht damit umgegangen bin. Dass ich eben nur noch apathisch da saß, und irgendwie die Kraft halt raus war, irgendwie. Verstehst du? Wenn du so total schlapp bist, für alles, einfach fertig, nur im Bett liegen. Und das fällt dann irgendwie auf. Musst ja irgendwie funktionieren, putzen, auf Arbeit, was tun. Aber das ging halt nicht. Was tun. Das ging da nicht mehr.

Z: Keine Sorge. Nur kleine Fische. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie entspannen sich einfach. Die Musik, und ich mache die Bilder. Okay?

N: Die Pornos im Suchverlauf bei meinem Sohn waren halt anders.

K: Das, wird jetzt schon sehr persönlich, irgendwie. Ich weiß nicht, ob ich das erzählen will.

N: Na, von der Gewalt da drin. Das war schon ein anderes Kaliber. Verstehst du? Und dann hab ich begonnen nachzudenken. Sex und Gewalt. Verstehst du?

S: Sie müssen sich vorstellen: Das ist richtig traumatisierend für ein Paar.

L: Aber ich bin doch kein Mann. Und wenn ich einer wäre, dann würde ich sicherlich keine Frauen ficken. Nein. Ganz sicher. Dann gebe es dafür gar keinen Grund. Dann wäre ich schwul. Mhm. Absolut.

(lange Pause)

Die Ökonomin überdachte ihre Herangehensweise. Anstatt die Figuren zu funktionalisieren und so voneinander zu trennen, erkannte sie, dass es etwas Gemeinsames brauchte. Etwas, das alle miteinander verband. Wie ein Tanz.

Z: Na gut. Aber jetzt fangen wir mal an. So viel Zeit haben wir auch nicht. Okay?

K: Ich war ja in der Psychiatrie. So ein Jahr später hatte ich irgendnen Unfall. Ich weiß nicht, was da passiert is. Es war verbunden mit ner Amnesie oder Dissoziation. Bei diesen Missbrauchsgeschichten, genau! Da hatte ich das auch manchmal. Der Geist trennt sich vom Körper, oder so. Überlebensstrategie nennen die das. Keine Erinnerung. Mhm. Als hätts die Zeit nicht gegeben. Son Loch. Also: ich hatte halt irgendwelche Wunden am Körper. Mein Fahrrad war Schrott, und, keine Ahnung. Alles ziemlich merkwürdig. Weiß es leider bis heute nicht, was passiert ist. Hm. Ja. Leider.

N: Wenn wir von den Pornos weggehen. Also lassen wir die Pornos als Basis. So: Bilder von Sexualität verschaffen Befriedigung. Sie törnen an. Sie erregen. Und was erregt, das verkauft sich. Und wer es verkauft, macht Geld damit.

L: Logisch.

S: So lässt sich das betrachten.

Z: Es funktioniert besser, wenn Sie die Augen zu machen. Okay? Genau. Sehr schön. Los geht’s. Sie gehen jetzt spazieren auf warmem Sand. Da ist das Meer. Ganz klar. Klares Wasser und die Sonne. Alles schön. Sie sind total entspannt. Okay? Alles schön und warm, und Sie sind ganz weit weg, ganz tief, da am Strand, und jetzt gehen Sie ins Wasser.

L: Jetzt bin ich ganz draußen. Weil Sie mich so herausfordern. Wissen Sie. Genau das wird Lesben unterstellt. Dass sie jetzt lesbisch sind, weil sie Frauen so toll finden. Klar. Es wird auch solche geben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das viele sind. Ich mein… (schwenkt mit dem Arm durch den Raum, so nach dem Motto: Sehen Sie selbst) Bei mir jedenfalls ist das nicht der Grund. Ich finde einfach dieses Heterosexuelle so ekelig.

N: Das gilt für jeden Film, nicht nur für Pornos. Pornos sind das Extrem. Verstehst du?

(kurze Pause)

N: Lass mich mal. Dann kapierst dus vielleicht. Gewalt erzeugt Spannung. Ein Kribbeln im Bauch. Etwas, das abstößt und anzieht zugleich. Und jetzt mische Ersteres mit Zweitem.

Z: Nein, wirklich. Sie müssen schon mitmachen. Okay? Augen zu. Okay?

N: Weil: Vergewaltigungsszenen in Filmen sind immer etwas, was sehr berührt, aber ich habe auch immer schon den Verdacht gehabt, dass es eher als geil empfunden wird, als als Abschreckung. Verstehst du jetzt?

Z: Das kann Ihnen gar nicht weh tun!

K: Ja, eben! Da lag ich auf der Intensivstation, in diesem Krankenhaus, in dem auch diese Psychiatrie drinnen is. Warst du schon mal auf der Psych? Ey, das is so krass echt. So, so, so steril, so kalt.

Z: Der weiße Strand. Da. Der Sand ganz warm. Alles schön. Sie geben Ihren Körper ab, bei mir zur Behandlung. Okay? Wie das Auto, das lassen Sie auch in der Werkstatt. Ihr Körper ist bei mir in Reparatur. Sie sind in der Karibik. Total schön. Und Sie tauchen ein in das Meer. Wunderschön. Und immer tiefer. Und da schwimmen bunte Fische vorbei. Rote und gelbe und violette Fische. Ganz nah.

L: Na, also.

N: Hör zu.

S: Was denkst du denn?

K: Nichts.

N: Endlich. Und dann war meine Frage: Wie damit arbeiten? Oder: Ob damit arbeiten. Also: Will ich das? Oder: Was will ich darin?

L: Langweilig trifft es besser. Ja. Langweilig. Das fand ich schon immer. So absolut berechenbar, absehbar, wie alle, die Jungs und die Mädchen, wie die miteinander herumtaten. Und jetzt bin ich fast dreißig. Es verändert sich nichts! Wie bei einem Roman, der nie den Erwartungshorizont einer Leserin durchbricht, aber man wird a) gezwungen ihn weiterzulesen und b) hört er nie auf. Und man kann dem auch nicht ausweichen! Es ist ja überall. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen?

N: In unserer Zeit und unserer westlichen Welt besteht ja die Zensur darin, dass alles gesagt werden kann, ohne dass jemand zuhört.

K: Was?

S: Habe nichts gehört.

Z: Hat jemand etwas gesagt?

N: Weil alles durch uns durchläuft. Weil wir alles schon kennen.

K: Aha. Ja. Das wollte ich gerade. Na, und wie das dann irgendwie der Fall zu sein scheint, wenn man irgendwo eingeliefert wird, wird halt nachgeschaut, ob man schon mal irgendwie was hatte. Wenn man nicht ansprechbar is, müssen die ja irgendwie schauen, ob es irgendwelche Akten gibt. Und da haben sie festgestellt, dass ich halt da schon irgendwie gegenüber in der Psychiatrie zu tun hatte. Und als ich dann ansprechbar war, kam diese Psychologin zu mir. Und ich merkte halt, dass ich die kenne. Total schräg! Ja! Ich kannte die. Und sie fragt mich, ob ich nicht im Anschluss dann da hinkommen wolle. Und mir war das alles so völlig suspekt. Ich wusste nicht was mir passiert war, und die haben unendlich viel untersucht, und waren sich nicht sicher, ob ich vom Auto angefahren wurde, ob ich vergewaltigt wurde, ob ich, was weiß ich was.

N: Weil das einfach so häufig vorkommt, dass eine Vergewaltigung angedeutet wird in Filmen, in Serien, im Theater, dass das Gedächtnis einfach so daran gewöhnt ist. Das visuelle Gedächtnis hat das so gespeichert, dass es inzwischen einfach nicht so dramatisch ist, sich so etwas anzuschauen.

S: Peter ist zum Beispiel mit einer sehr verständnisvollen Frau verheiratet. Ich kenne sie auch. Wenn notwendig, lade ich beide zur Paartherapie ein.

N: Die Frau. Die Frau ist unwichtig. Immer schon gewesen. Ja. Ihr seid unwichtig. Wisst ihr das nicht? Meistens kommt sie dann auch nicht lange vor.

L: Miso was? Also, jetzt hörn Sie mir mal zu, sie Superfeminist. Sie sind sicher eine von denen die große Sprüche klopft, und dann abends in ihr sicheres heterosexuelles Heim stapft. Sie brauchen mir hier gar nichts erzählen.

K: Mysogenie.

S: Frauen.

N: Frauenfeindlich.

K: Ja.

S: Ja.

Z: Nein.

N: Doch.

Die Lesbe, genauso wie die Transfrau und die Zahnärztin, transportierte es wie auch die Sexuologin von einer Patientin zur nächsten, bis es die Filmemacherin in ihrer Kamera einfing.

L: (kleinlauter) Ich meine ja nur. Deshalb bekomme ich auch eine Gänsehaut, wenn mich dann eine Frau ansieht, wie sie einen Mann ansieht. Dann fühle ich mich, als würde ich in dieses Schwarze Loch gezogen.

N: Ach das meinst du? Nein. Geld habe ich damals keines mit meiner Doku gemacht. Deshalb bin ich ja hier.

Z: Sie jetzt! Was ist denn los mit Ihnen? Wirklich! Das geht nicht. Wie soll ich da arbeiten? Der Wienerbergsee? Hier geht es um eine Dissoziation. Verstehen Sie? Eine D I S S O Z I A T I O N! Ihr Körper, der bleibt bei mir, und im Kopf, da sind Sie in der Karibik. Okay? Nochmal. Man kann es sich wirklich schwer machen. Kleiner Kontrollfreak, was?

K: Nein. Ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, dass ich ja gesagt habe. Aber irgendwie befand ich mich dann ein paar Tage später tatsächlich in der Psychiatrie. War aber noch völlig belämmert. So. Ich hatte ja irgendwelche Gehirnerschütterungen und was weiß ich was.

S: Warum, warum? Es ist doch normal, dass es einem Ehepaar ein Bedürfnis ist, das gemeinsame Erlebnis, den Sexualakt, miteinander zu teilen. Das ist doch verständlich.

N: Ich habe diese Doku gemacht, um eben das zu zeigen. Also es nicht zu zeigen, sondern darüber zu sprechen. Über die Selbstverständlichkeit, mit der es gezeigt wird. Ständig. Überall. Und über die Selbstverständlichkeit, dass eine Frau, also eine Schauspielerin, eine Vergewaltigung spielen soll.

Z: Okay.

N: Damit macht man halt keine Kohle. Mit so einer Doku. Deshalb bin ich ja hier!

Z: Jaja. Okay. Na gut. Das warme Wasser und die Fische, und Sie tauchen immer tiefer. Alles easy. Die Fische schwimmen um Sie herum. Alle braun und grau. Alles schön, und Sie tauchen immer tiefer und immer weiter weg vom Strand. Das Ufer ist ganz weit weg. Alles locker lassen. Sie sind im Wienerbergsee. Alles easy. Sehr schön. Was ich mache, ist ganz weit weg. Sie spüren nichts. Sie sind im Wienerbergsee. Ganz weit draußen, und tauchen. Und da kommt ein Fisch.

K: Und dieses Loch und auch dieses Unbehagen, weil ich ja nicht wusste. Genau. Und da lag ich da halt letztlich auch die ganze Zeit im Bett, und irgendwann, als ich dann wirklich so klar war im Kopf wieder, hab ich so die Augen aufgemacht und im Zimmer rumgeschaut, und denk mir so, eh? Wo bin ich jetzt? Kenn ich doch irgendwie. Und bin aufgestanden, hab mich ans Fenster gestellt, hab rausgeguckt und dacht mir: Ach du Scheiße! Hab den Zaun gesehen und dacht mir: Ich bin in der Psychiatrie! Noch mal! Das kann nicht wahr sein. Es passiert immer wieder!

L: Eben! Deshalb bin ich auch gegen diese Ehe für homosexuelle Paare. Verstehen Sie? Damit ziehen einen die Heterosexuellen in ihre Langeweile, in ihren aus Generationen gewachsenen, stets vorhersehbaren Verhaltenscodex, in dieses, dieses, dieses Gegenteil von Leben!

Z: Was?! Ich versteh Sie nicht. Was?!

N: Ja! Da sagst du was! Sex und Gewalt. Es ist verzwickt. Ohne das überlebt ja kein Film, und ohne Film hab ich keinen Job. Deshalb: Warum nicht gleich Vergewaltigung. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
(Pause)
Und das war der Moment, wo ich mich gefragt hab: Aber wieso, wie hat das passieren können? Verstehst du?

Z: Nein. Sie können nicht ertrinken. Wissen Sie, wenn Sie sich schneller entspannen, dann kostet es auch weniger. Okay? Bei meinen anderen Patienten funktioniert das. Okay? Die Trance, das geht mit der Zeit. Je schneller, desto billiger. Und jetzt, Augen zu! Alles easy. Man kann es sich auch schwer machen! Na gut! Und wenn ich jetzt sage.

L: Natürlich dürfen Sie etwas fragen. Sie haben sich doch bis jetzt auch kein Blatt vor den Mund genommen.

S: Wären Sie nicht auch enttäuscht, oder würden sich Gedanken darüber machen, wenn Ihr Freund oder Ehemann verkrampfen würde, wenn Sie ihn liebevoll penetrieren wollten? Ich würde das auch nicht wollen.

N: Tragisch.

S: Wie bitte?

N: Tatsächlich.

S: Wie meinen Sie das jetzt?

N: Nichts weiter.

L: Na dann. Unterbrechen Sie mich jetzt mal nicht. Dann komme ich auch dazu, meine Geschichte zu erzählen.

Der Knotenpunkt, den es zu entwirren galt. Die Volkswirtin verzweifelte in ihrer eigenen Erleuchtung und startete einen weiteren Versuch.

S: Ach so. Bei diesem Workshop wurde eine andere Methode vorgestellt, eine Mischung aus Psychotherapie und einer Entspannungstherapie, einer Art Trance. Und anstelle von Phantomen werden Finger verwendet. Äh. Der Mann verwendet natürlich seine eigenen Finger.

L: Ein kleiner Scherz. Wirklich. Zurück zu diesem Mädchen. Hm. Also, es wundert mich nicht, dass Sie darauf zurückkommen. Meistens versuche ich, diesen unnötigen Sexualverkehr zu vermeiden. Ich kann diese Langeweile auch nicht verbergen. Ja. Das fühlt sich für mich auch nicht gut an. Es ist auch so durchschaubar. Die meisten Frauen sind ohnehin mit einem niedrigen Selbstwertgefühl ausgestattet. Das lässt man dann besser von vornherein bleiben. Auch, wegen dem Geheule. Ich weiß. Das klingt echt hart. Aber dieses Geheule. Ich kann mir das echt nicht mehr anhören.

N: Ja, das ist ein interessantes Feld. Bis jetzt ist es ja überhaupt schwierig gewesen, Sexualität zwischen Frauen überhaupt darzustellen. Weil: Wer fickt dann wen? Nicht wahr? Also Frauen, die sich gegenseitig vergewaltigen, hab ich eigentlich noch nie gesehen. Es soll aber vorkommen jetzt, weil es diese Gefängnisserie gibt. Ja. Was war die Frage nochmal?

S: Ich? Ich arbeite mit Phantomen. Diese andere Therapieform ist auch extrem kostspielig. Der Typ zieht den Ehepaaren unglaublich viel Geld aus der Tasche. Das will ich nicht.

N: Es passt genau in das Gleiche rein, weil prinzipiell Sex zwischen Frauen etwas ist, was Männer gerne sehen. Prinzipiell glaub ich, dass Männer Frauen sowieso nicht zutrauen, dass sie vergewaltigen können. Hm? Könnt ihr vergewaltigen? Bietet ihr Vergewaltigungen an?

K: Nein.

L: Äh. Wie bitte?

S: Vielleicht.

Z: Unter Umständen.

N: Bei Frauenbeziehungen ist es immer zuerst der Background, der erzählt wird, um das klarzustellen, dass es eine Frauenbeziehung ist. Dann, wenn eine Vergewaltigungsszene passiert zwischen zwei Frauen, würde ich sagen, dass es wahrscheinlich erschreckender ist, weil man es ihnen nicht zutraut.

S: Das funktioniert folgendermaßen: Phantome sind eine Art harte Plastikdildos. Die gibt es in verschiedenen Größen: Länger, kürzer, breiter, dünner. Ich habe Peter eben aufgetragen, sich mehrere Phantome zu besorgen, und dann sollte er mit dem kleinsten beginnen. Am besten in der Nacht, soll er sich das Phantom, mit Zuhilfenahme von Massageöl, langsam einführen. Das fühlt sich an wie ein Zäpfchen. Sie kennen das bestimmt aus ihrer Kindheit, wenn Sie Verstopfung hatten. Ist gar nicht schlimm. Eben.

N: Also die Situation ist eine zwischen zwei Frauen, und die eine vergewaltigt eine andere? Keine Ahnung. Kommt auf die Frauen an. Würdet ihr das darstellen?

K: Nein.

L: Äh. Wie bitte?

S: Vielleicht.

Z: Unter Umständen.

N: Gut. Also wenn ichs darstellen würde. Ja. Es stimmt ja. Muss ja drin sein. Wer schaut sich sonst den Scheißfilm an, wenn alle lieb zueinander sind und ja, die Gleichberechtigung. Jaja, ich versteh schon. Is wahrscheinlich interessanter. Also wenn ichs darstellen würde, also mit der Idee dahinter, das zu durchbrechen, dass man Frauen in ihrer Sexualität keine Gewalt zutraut. Das wäre ein Punkt, sich das zu überlegen, das zu brechen. Na gut. Also wenn ichs darstellen würde, dann müsste halt eine der Mann sein. Na, weil anders geht das nicht. Dann hätte die Vergewaltigerin halt sehr kurze Haare und so, so, ja, ne Lederjacke. Ach, ich weiß nicht.

L: Männer leben das aus einer ganz anderen Geschichte heraus.

S: Zuerst nur für ein paar Minuten, dann länger, dann für die ganze Nacht. Und wenn er dann das kleinste Phantom gar nicht mehr spürt, soll er die nächste Größe nehmen und so weiter, bis er bei einem Phantom angelangt ist, das ungefähr der Größe des ausgewählten Dildos entspricht. Oder eben einer Faust.

Z: Na gut. Okay. Ich habe verstanden. Das mit der Dissoziation haben Sie halt nicht drauf. Wirklich! Frauen wie Sie. Schade. Schade für Sie. Total schade! Ich habe das schon gemerkt, dass Sie nicht in Trance waren. Wirklich. Das ist mir noch nie passiert. Aber bitte. Wenn Sie es schwer haben wollen. Wenn Sie lieber Pillen fressen wollen. Okay. Wissen Sie, ich bin ein positiver Mensch. Man kann sagen: Das Glas ist halb voll oder halb leer.

S: Ich erkläre meinen Patienten aber auch, dass sie sich nicht schlecht fühlen müssen, wenn das mit der Faust womöglich niemals klappt. Das geht für einige einfach zu weit. Verstehen Sie?

N: Weil weil weil. Das ist der nächste Punkt. Warum will man das denn überhaupt? Scheiße!

L: Ja. Wie Sie schon sagen. Zurück zu diesem Mädchen. Hm. Warum ich an dem Begriff Mädchen festhalte. Sie war absolut nicht abgeklärt. Natürlich, die heterosexuellen Verhaltensmuster, auf die griff sie zurück. Man kann von heterosexuellen Frauen nicht die absolute Reflektiertheit erwarten. Die haben es viel weniger nötig, sich in Frage zu stellen. Aber das Frausein, das abgeklärte, das hatte sie nicht. Das hat mich fasziniert. Es war das Gegenteil von langweilig. Wie gesagt. Sonst hätte ich mich auch nicht darauf eingelassen.

S: Wie meinen? Ähm. Ich mache das ungern. Nur, wenn es der Patient innerhalb eines halben Jahres selber überhaupt nicht schafft. Aber wirklich ungern. Manche meiner Kolleginnen haben damit kein Problem. Aber ich versuche das zu vermeiden. Bei Peter, zum Beispiel, hat es auch so gut funktioniert.

N: Meinst du das im Ernst?

S: Doch.

N: Jetzt gehst du zu weit.

Z: Halb voll oder halb leer.

K: Und, also, das war halt total praktisch, weil ich ja schon 18 war. Weil die dann meinte, nee, ich hab jetzt schon gedacht, wir behalten dich jetzt noch zwei Monate hier. Und ich so, nein, zwei Monate! Nicht mal zwei Tage halt ichs hier aus. Ja, und dann wollte die Pychiaterin sich halt so total dagegen stellen und so, und ich bekam erst total Angst. Aber ich hab dann halt echt nen klaren Kopf gehabt, und hab gesagt, so, ich bin jetzt hier aber 18, und wo muss ich unterschreiben? Ja. Und dieser Moment, von dem ich eigentlich erzählen wollte, wo ich an diesem Fenster stand, und gecheckt hab, wo ich mich schon wieder befinde. In diesem Moment ging mir nur durch den Kopf, dass ich mir eigentlich nur eine einzige Frage stellen muss, um irgendwie da hinzukommen, wo ich gerne hinwürde. Und so albern das jetzt klingt, das war damals für mich wahnsinnig wichtig. Ich hab mich einfach nur gefragt: ob ich leben will, oder nicht.

(lange Pause)

Als das nicht half, holte die Ökonomin ihren letzten Trumpf heraus. Ihren Joker. Und auch wenn G nicht direkt mitspielen durfte, so fand sie dennoch eine Möglichkeit, diese Klausel in ihrer eigenen Zusammenstellung von Axiomen zu umschiffen.

G: [unverständliches Geflüster und Stöhnen]
F.
G:
[unverständliches Geflüster und Stöhnen]
F.
G:
Jetzt halt still! [geflüstert]
F.
G:
Nicht so laut![geflüstert] Willst du, dass die Sandy aufwacht?
F.
G:
Blödsinn! Wir sind fast dreizehn. Da tut das nicht mehr weh.
F.
G:
Wenn du nicht den Mund hältst! [geflüstert] Ich steck dir n Höschen von mir ins Maul!
F.
G:
Siehst du. Geht doch. (Stöhnen)
F.
G:
Scheiße. Jetzt halt doch still. Blöde Zicke! Das tut nicht weh.
F.
G:
Mein Papa macht das auch so.
F.
G:
Selber Nutte! Krampf nicht so rum. Logisch tuts dann weh! Tuts dir beim Seppi weh? Da magst dus. Nicht?
F.
G:
Dann denk halt an die Sandy. Willst, dass die aufwacht? Dann weiß es morgen das ganze Heim. Willst das?
F.
G:
Weißt du noch. Als die Jacqueline da im Container und der Seppi zwischen ihren Beinen. Klatsch, klatsch, klatsch hats gemacht. Gelacht hats, die Hure. Weißt du noch. Und alle haben zugeschaut. Und ihr hats Spaß gemacht.
F.
G:
Wenn du nicht still bist. Die Sandy wacht auf. Willst das?
F.
G:
(Stöhnen)
Was? Na irgendsoein Schreibding. Weiß nicht. War aufm Schreibtisch. Kuli, glaub ich.
F.
G:
Fertig.
Und jetzt schlaf.
(sehr lange Pause) Nichts wird mehr so sein, wie es war. Für niemanden.

N: Nein! Das wäre nicht aufgeilend. Auf keinen Fall! Das wären Kinder. Da gehts um ne andere Geschichte. Da gehts um. Da glaubt man denen ja auch nicht, dass sie sexuell sind, sondern da glaubt man, dass sie aus ihrer sozialen Situation, ihrer Not heraus Scheiße gebaut haben.

S: Wenn ich jetzt darüber nachdenke. Das kann schon eine Zeit dauern.

N: Man legitimierts dann mehr, glaube ich.

S: Im Fall von Peter habe ich nach seiner letzten Sitzung noch seine Frau eingeladen,und ihr erklärt, wie das gemeinsame Erlebnis am besten funktionieren wird: Dass sie mit einem Finger beginnen soll, und erst wenn das geht, sie sich langsam zum Dildo vorarbeiten. Dass sie ihm Zeit lassen soll, sich an das Gefühl zu gewöhnen.

L: Mhm. Zu dem Aha-Erlebnis. Werden Sie jetzt ungeduldig? Sie gefiel mir auch sehr gut. Ihr Lachen. Das mochte ich sehr. Und zugegeben, ich fühlte mich auch ein wenig geschmeichelt. Man ist nicht immer immun gegen sein eigenes Ego. Das gibt es. Und sie sitzt ja bereits auf meinem Bett, und wartet darauf, gefickt zu werden. Also, dass ich sie ficke. Und ich spüre den Druck. Und umgekehrt proportional zu dem Druck sinkt mein Begehren. Eine körperliche Reaktion. Deshalb muss ich mich jetzt überreden. Ich will auch niemanden enttäuschen. Und dann drück ich sie tief in die Matratze rein, und packe sie etwas fester an den Haaren.

N: Ich finde es verstörend.

L: Also. Viele mögen das. Das gibt ihnen einen Kick.

N: Was würdet ihr machen, wenn jemand ein Kind verlangt? Also. Es ist ja ohnehin strafbar. So: In echt.

L: Sie würden sich wundern.

Z: Wohl nicht ganz dicht. Oder was?

N: Weil man sich schwer tut, sich an Kindern aufzugeilen. Das ist gesellschaftlich einfach total verpönt.

L: (jetzt sehr sanft und nachdenklich) Und im selben Moment, in dem ich das mache, spüre ich, hm, man könnte sagen, eine Verachtung in mir hochkommen. Aber, plötzlich schiebt sich etwas dazwischen. Zwischen meine Verachtung und das Mädchen. Und Sie können mir glauben, ich bin absolut nicht esoterisch veranlagt. Wirklich nicht. Aber mir fehlen andere Worte dafür. Es schiebt sich das dazwischen: ihr Geist, ihre Seele, oder. Keine Ahnung. Auf jeden Fall sehe ich es ganz deutlich. So eine fünfte Dimension. Und dann spricht das zu mir. Nicht mit Worten. Aber es ist total deutlich.

(lange Pause)

Schließlich erkannte die Ökonomin, was sie tun musste. Keine Welt, war sie noch so klein, ließ sich einfangen und in eine Formel pressen. Mit einem schmerzhaften Ruck zerstörte sie ihre Axiome. Alle waren auf ihren Plätzen. Frauen, Kinder und Tiere. Das Denken war ein Rhizom und Solidarität die Zärtlichkeit revolutionärer Subversion.

S: Ich habe ihm dann noch eine Packung Schmerzmittel verschrieben. Da kann Peter dann eine Tablette vor dem gemeinsamen Erlebnis einnehmen. Nur um ganz sicher zu gehen. Meinem Hans verabreiche ich die auch bei Zeiten.

N: Weil es einen gesellschaftlichen Hebel gibt, der ganz stark ist, zwischen dem, was krank ist und was nicht. Ich mein, was für ein Freak würde sich? Ich mein, wenn Männer Frauen vergewaltigen, Scheiße, aber o.k. Wenn Frauen Frauen vergewaltigen. Von mir aus. Aber. Bei Kindern machst du die Grenze ganz klar auf, nämlich auch die innere Kontrolle: Das kannst du nicht mehr gutheißen, weil das ist pädophil. Und wer will schon pädophil sein? Ich nicht! Ich mein, homosexuell, o.k. Da wissen wir ja, das is nicht krank. Früher war das ja anders. Da warn das ja auch die Freaks. Aber heute. Wir sind hier ja alle zivilisiert. Wir können ja denken! Deswegen wird das mit Kindern immer anders rezipiert werden. Wir reden jetzt mal von der Allgemeingesellschaft, wo ich jetzt hoffe, dass nicht so viele pädophile Freaks unterwegs sind. Da ist einfach ein natürlicher innerer Hebel, der schlägt um und der sagt: Nein, das geht nicht mehr!

L: Nein. Sie hat die Augen geschlossen und diesen genießenden Gesichtsausdruck. Ich auf ihr, zwischen ihren Beinen, ihr Kopf leicht nach hinten gezogen, alles gut.

N: Wie bitte?

L: (sehr nachdenklich) Und dieses Ding, dieser Geist, Seele, keine Ahnung, sagt: Tu mir ja nicht weh. So klar und so bestimmt. Vielleicht auch mehr: Wehe, du tust mir weh.

N: Nein! Ich hätte das Bedürfnis nie danach!

Z: Wirklich jetzt. Es reicht!

L: Ich bin nicht sicher, ob der Aspekt einer Drohung dabei war, oder, ob das bereits meine Interpretation ist. Auf jeden Fall lasse ich sofort ihre Haare los.

N: Niemals.

L: Weil, plötzlich ist es absolut einerlei, ob sie jetzt gefickt werden wollte oder nicht oder vielleicht.

N: Was dann? Dann, dann. Dann würde ich eben aufhören, Filme zu machen. Ich mein. Seh ich aus wie ein Freak, oder was. Es gibt Grenzen. Ja, das glaube ich. Auch in der Kunst muss es Grenzen geben!

L: Ich weiß, dass dieses Etwas: Seele, Geist, keine Ahnung, verstanden hat, was ich vorhatte. Dass ich vorhatte, einfach etwas in sie reinzustecken. Und nicht einmal in sie, sondern in irgendwas. Aus dem alleinigen Grund, es hinter mich zu bringen.

N: Mich würde das nicht interessieren, das darzustellen. Wozu? Um zu zeigen, wie zwei 13jährige miteinander scheiße umgehen? Wieso? Wieso sollte man das machen? Was bringts, das, das zu sehen. Also ich verstehs nicht. Die Tatsache, dass man es darstellen kann, ist noch lange nicht der Grund, warum man es tun sollte.

L: Faszinierend, finden Sie nicht?

K: Hm.

S: Hm.

Z: Weiß nicht.

N: Ich rege mich nicht auf!

K: Ach ja?

N: Ist mir egal. Ja. Wenn du mich so fragst. Ist mir egal.

S: Wirklich?

N: (resigniert) Tierfilme.

L: Was?

K: Was?

S: Was?

Z: Im ernst?

N: Ja. Tierfilme sind total beliebt.
(lange Pause)
Also, wer auch immer, „Findet Nemo“ oder „Wer mit dem Wolf tanzt“, und ich mein sogar dieses „Wild“ jetzt. Ja. Da leckt der Wolf diese blonde Frau. Ja. Tierfilme.

K: Nein.

L: Vielleicht.

S: Möglich.

Z: Also.

N: Irgendein Mann, der einen Hasen fickt. Warum auch nicht.
(lange Pause)
Na, wenn wir die Tiere essen können, dann können wir sie auch ficken. Warum ist das dann schlimmer? Hm?

 
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